Es gibt Tage, da fühlt man sich super und es gibt Tage, da möchte man am liebsten im Bett bleiben. Das ist ganz normal. So geht es den meisten Menschen. Schwierig wird es, wenn Belastungen und Sorgen das Leben dauerhaft schwer machen. Aber gerade dann kommt es darauf an, den Glauben an eine gute Zukunft zu behalten. Manchen Menschen scheint das besser zu gelingen als anderen. Man sagt, diese Menschen hätten eine gute Resilienz oder Widerstandskraft. Aber was heißt das? Resilienz haben oder resilient sein? In diesem Blogbeitrag beschreibe ich, was der Begriff im Allgemeinen bedeutet und was man tun kann, um die psychische Resilienz zu stärken.
Ein Blick zurück in meine Schulzeit
Als ich noch zur Schule ging, gab es eine Zeit, da hatte ich große Schwierigkeiten im Fach Mathematik. Mein Lehrer empfahl meinen Eltern sogar, mich von der Schule zu nehmen. Jemand wie entspräche nicht den Anforderungen, so seine Haltung. Das hat mich damals sehr getroffen. Dementsprechend verunsichert war ich und dadurch wurde ich auch leichtes Ziel für den Spott und die Häme meiner Klassenkameraden. Das war eine Zeit, an die ich heute verständlicherweise mit gemischten Gefühlen zurückdenke.
Dass ich damals nicht verzweifelt bin, lag daran, dass meine damalige Klassenlehrerin einen ganz anderen Blick auf mich und meine Leistungen hatte. Sie war es auch, die mich ermutigte, meinen Weg an der Schule weiterzugehen. Ich musste das Schuljahr zwar wiederholen, ich habe mich aber durchgekämpft und mein Selbstvertrauen zurückgewonnen. Meine Lehrerin und meine Eltern haben mir dabei den Schutz und den Zuspruch gegeben, den ich dafür brauchte. Kurz: Sie haben mich resilienter gemacht.
Was bedeutet Resilienz oder resilient sein?
Im Ursprung geht der Begriff Resilienz auf das lateinische Wort „resilire“ zurück. Es bedeutet: etwas springt zurück, haftet nicht an oder prallt ab. Bildlich gesprochen ist etwas resilient, das widerstandsfähig gegen schädliche oder belastende Einflüsse von außen ist, weil diese nicht anhaften oder sogar wieder abprallen.
Eine einheitliche Begriffsbestimmung von Resilienz gibt es nicht. Meist hängt eine Definition vom Zusammenhang ab, auf den sie sich bezieht und davon, wer den Begriff benutzt. Ingenieur*innen und Programmierer*innen kennen den Begriff ebenso, wie die Ökosystemforschung oder die Psychologie. Er wird verwendet für technische Systeme, Versorgungssysteme oder auch für soziale Systeme wie Gruppen oder Gemeinden.
Das Gegenteil von Resilienz ist Vulnerabilität (Verletzbarkeit, Verletzlichkeit). Auch dieser Begriff wird mittlerweile in verschiedenen Fachbereichen verwendet. Er beschreibt, wie verletzlich ein System gegenüber störenden oder belastenden Einflüssen ist. Diese werden auch als Risikofaktoren oder Stressoren bezeichnet.
Psychologische Resilienz und der Beitrag der Resilienzforschung
Wenn man sich die Resilienz einzelner Menschen anschaut, spricht man auch von psychologischer Resilienz, psychischer Widerstandskraft oder Anpassungsfähigkeit. Wer sich intensiver mit der Erforschung der psychologischen Resilienz beschäftigt, stößt schnell auf die US-amerikanische Entwicklungspsychologin Emmy Werner. Ihr Name ist eng mit der Resilienzforschung verbunden. Das geht zurück auf ihre Studien, die sie in den 50er Jahren mit einer Forschungsgruppe auf der zu Hawaii gehörenden Insel Kauai durchgeführt hat.
Das Team untersuchte damals in einer Langzeitstudie („Kauai Longitudinal Study“) die Entwicklung von rund 700 Menschen – von der Geburt bis ins Erwachsenenalter. Dabei berücksichtigte es bestimmte Risikofaktoren, wie Armut oder ein zerrüttetes soziales Umfeld.
Im Ergebnis stellte die Forschungsgruppe fest: Eine Reihe von Kindern konnte den widrigen Umständen erfolgreich trotzen und ein weitgehend gesundes und normales Leben führen. Die Forscher*innen schlossen daraus, dass die Menschen im Laufe ihrer Entwicklung durch eine Reihe von Faktoren geschützt gewesen sein müssen. Diese sogenannten protektiven Faktoren oder auch Schutzfaktoren hätten die Menschen resilient oder widerstandsfähig gemacht. Die Risikofaktoren sind an ihnen abgeprallt und blieben nicht haften.
Seitdem hat sich die Resilienzforschung stetig weiterentwickelt. In Deutschland befasst sich heue unter anderen das Leibniz-Institut für Resilienzforschung (ILR) in Mainz mit dem Thema. Dort forscht man nach eigenen Angaben daran, die Resilienz besser zu verstehen mit dem Ziel, stressbedingten psychischen Erkrankungen vorzubeugen und damit einen Beitrag zum Gesundheitsschutz zu leisten.
Wie wird psyologische Resilienz definiert?
In der Literatur lassen sich verschiedene Definitionen von psychologischer Resilienz finden. Zwei davon habe ich für diesen Blogbeitrag einmal aufgeschrieben. Am ILR definiert man sie beispielsweise als:
„Fähigkeit zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung psychischer Gesundheit während oder nach stressvollen Lebensereignissen.“
Quelle: ILR, Stand 10/2022
Zur Erläuterung heißt es: „Resilienz besteht, wenn Individuen in großen psychischen oder körperlichen Stresssituationen ihre psychische Gesundheit aufrechterhalten oder diese nach einer kurzen Phase von Belastungssymptomen rasch wiederherstellen können.“
Die American Psychological Association (APA) geht in eine etwas andere Richtung. Ihre Definition lautet:
„Resilienz ist der Prozess und das Ergebnis eines erfolgreichen Anpassens an schwierige oder herausfordernde Lebenserfahrungen besonders durch mentale, emotionale und verhaltensbezogene Flexibilität sowie Anpassung an äußere und innere Anforderungen.“
Quelle: APA, Stand 10/2022, eigene Übersetzung
Resilienz kann also als Fähigkeit aber auch als Prozess oder Ergebnis gesehen werden. Wie so oft: Je nachdem aus welcher Blickrichtung man sich den Begriff ansieht, kommt man zu unterschiedlichen Definitionen.
Relativ einig ist die Forschung inzwischen aber, dass Resilienz keine feststehende Persönlichkeitseigenschaft ist, sondern sich im Laufe des Lebens verändert bzw. aktiv verändert werden kann. Das bedeutet: Resilienz oder Widerstandsfähigkeit kann trainiert werden. Daher lohnt sich ein Blick darauf, wie man sie stärken und aufbauen kann.
Die Säulen der Resilienz als Modell
Bereits die Forschungsgruppe um Emmy Werner hat in ihrer Studie bestimmte Schutz- oder Resilienzfaktoren herausgearbeitet. Verallgemeinernd kann man sie man sie in zwei Bereiche unterteilen:
- Resilienzfaktoren, die innerhalb einer Person liegen. Dazu gehören u.a.: Das Temperament, Optimismus, bestimmte Kompetenzen, aber auch körperliche Gesundheit.
- Resilienzfaktoren, die außerhalb einer Person liegen, also in der (sozialen) Umwelt eines Menschen: In diesem Bereich sind besonders Beziehungen zu unterstützenden Menschen zu nennen (z. B. Eltern, Lehrkräfte etc.).
In der Resilienz-Literatur haben sich inzwischen verschiedene Resilienzfaktoren-Modelle verbreitet. Je nach Autor*in findet man unterschiedliche Bezeichnungen. Oft wird von „Säulen der Resilienz“ gesprochen. Die Zahl der Säulen schwankt dabei je nach Quelle. Häufig findet man das Stichwort „Die Sieben Säulen der Resilienz“, aber auch „Vier Säulen“ oder „Sechs Säulen“ sind im Internet zu finden.
In ihrem Wesen sind sie die Modelle jedoch recht ähnlich. Da die jeweiligen Resilienzfaktoren sich gegenseitig beeinflussen und verstärken können und außerdem über die Lebenszeit unterschiedliche Gewichte haben können, ist das Bild von statischen Säulen meines Erachtens etwas irreführend. Wohl deshlab wird gelegentlich auch von den „Schlüsseln der Resilienz“ gesprochen. Zur Veranschaulichung und Kommunikation sind diese Bilder gut geeignet. Ich bin noch auf der Suche nach einer gegeineten Metapher. In Anlehnung an den Beitrag über die Drachen der Untätigkeit, wäre die Bezeichnung „die Schilde der Resilienz“ vermutlich ganz gut geeignet.
Aber auch der Begriff „Resilenzschirme“ oder „Schirme der Resilienz“ könnte passen. Anregungen dazu gerne in die Kommentare.
Resilienzfaktoren und wie man sie stärken kann
Resilienz ist etwas Dynamisches und Resilienzfaktoren sind abhängig von Lebensalter, Kontext und Kultur. Für eine deutsche Frau im mittleren Alter sind andere Schutzfaktoren ausschlaggebend als zum Beispiel für ein Kind in Indien oder Japan. Folgende Resilienzfaktoren beispielsweise findet man unter anderen häufig in der Literatur. Wer sie stärken will, kann mit ihnen beginnen.
Akzeptanz – Annehmen statt verdrängen
Jedem Menschen bläst mal der Wind ins Gesicht. Man muss das nicht mögen. Akzeptanz heißt aber nicht, dass man vergangene oder aktuelle Widrigkeiten des Lebens einfach erdulden oder aushalten muss. Akzeptanz heißt erst einmal nur, den negativen Gefühlen und Empfindungen Raum zu geben. Wer sie bekämpft, davor wegläuft oder sie verdrängt, wird von ihnen eingeholt. Akzeptanz heißt: Sich der Herausforderung stellen.
Optimismus – Zuversichtlich nach vorne schauen
Das dauerhafte Vertrauen oder die Einstellung, dass Dinge sich positiv bzw. nach Plan entwickeln, bezeichnet man als Optimismus. Optimistische Menschen glauben daran, dass es nicht so schlimm kommen wird, bzw. daran, dass es wieder gut wird. Dieser Glaube ist auch Grundlage dafür, dass optimistische Menschen eher dazu neigen, Herausforderungen aktiv anzugehen.
Selbstwirksamkeitserwartung – In die eigenen Fähigkeiten vertrauen
Selbstwirksamkeitserwartung ist ein sperriges Wort. Es steht für das Maß, inwieweit Menschen in ihre eigenen Fähigkeiten vertrauen. Von einem Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung würde man wahrscheinlich selten oder nie den Satz hören: „Das schaffe ich ja nie!“ Menschen mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung würden stattdessen aktiv werden, Herausforderungen sportlich betrachten und sich bemühen, diese zu meistern. Dabei setzen sie sich realistische Ziele und setzen diese um.
Soziale Unterstützung – Wohlwollende Beziehungen aufbauen und pflegen
Beziehungen zu wohlwollenden Menschen, auf die man sich verlassen kann, wenn es mal nicht so rund läuft: Das ist enorm wichtig. Das ist inzwischen gut erforscht. Kinder sind dabei im Wesentlichen noch auf ihre Eltern angewiesen. Später können aber auch Lehrkräfte eine wichtige Rolle spielen, wenn sie in der Lage sind, die Kinder richtig zu fördern und zu motivieren. Das zeigt auch mein Beispiel vom Eingang.
„Falsche Freunde“ können aber auch krank machen. So können überforderte Eltern oder Lehrkräfte beispielsweise auch selbst zum Risikofaktor für die Resilienz werden. Es kommt daher sehr auf die Qualität der Beziehungen an und das Wissen, wohin man sich im Notfall wenden kann. (Wie man sich ein persönliches Netzwerk aufbauen kann, habe ich schon an anderer Stelle geschrieben.)
Auch, wenn die Stärkung der Resilienz viel mit dem Blick nach vorne und einer Orientierung an einer positiven Zukunft zu tun hat: Auf der Suche nach den eigenen Resilienzfaktoren darf man ruhig auch einen Blick zurückwerfen, um aus der Vergangenheit zu lernen. Mit dem Tool „Lebenslinie“ kann man vergangene Höhen und Tiefen erkunden. Dabei arbeitet man raus – alleine oder mit einem Coach, was einem früher durch die Täler hindurchgeführt hat.
Schlusswort – Warum Resilienz wichtig ist
Auch resiliente Personen empfinden Stress oder emotionale Belastungen wie Trauer oder Schmerz. Sie werden davon aber nicht so leicht aus der Bahn geworfen, bzw. erholen sich schnell davon. Das hat auch viel mit seelischer Gesundheit zu tun. Daher ist Resilienz heute so wichtig. Denn Krieg, Corona, Inflation, Populismus und der Klimawandel können Angst und Bange machen.
Wer dann den Kopf in den Sand steckt, hört auf an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Wenn zu viele Menschen das tun, wird das Feld den negativen und bremsenden Kräften überlassen. Behalten wir uns den Optimismus, dass es wieder besser werden kann. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns befähigen, die notwendigen Schritte mit Mut und Zuversicht zu tun.
Mir ist das damals in der Schule gelungen, als es nicht so rund lief. In dem Jahr, das ich wiederholt habe, hatte ich wieder Unterricht bei meinen „alten“ Mathelehrer. Zuerst war der Schock groß. Doch dann wollte ich es wissen. Ich habe die neue Situation akzeptiert, nach Lösungen gesucht und mich auch die neue Situation eingestellt. Dabei untestützen mich Eltern und Freunde. Das Ergebniss: Am Ende des Jahres eine „Eins“ in der Mathearbeit und viel stolz in der Brust. Und davon habe ich auch in anderen Bereichen profitiert.
Eine Anmerkung noch zum Schluss: Hier ist über Resilienz und psychische Belastungen die Rede. Wenden Sie sich bei entsprechend schweren Belastungen oder Beeinträchtigungen bitte an einen Arzt oder eine Ärztin oder eine entsprechende Beratungsstelle. Coaching ist keine Therapie und kann diese nicht ersetzen.
Referenzen
American Psychological Association (n.a.). Resilience, Topic, and Definition (Aufruf, 10/2022)
Werner, E. E. (1992). The Children of Kauai: Resiliency and Recovery in Adolescence and Adulthood, Journal Adolescent Health, Vol. 13, No. 4
Bengel, J., Lyssenko, L. (2012). Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter. In: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, Band 43. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Aufruf 10/2022).
Pangallo, A., Zibarras, L. D., Lewis, R. & Flaxman, P. (2015). Resilience Through the Lens of Interactionism: A Systematic Review. Psychological Assessment, 27(1), S. 1- 20. doi: https://doi.org/10.1037/pas0000024 (Aufruf: 10/2022)
Danke Dir Christian, wieder etwas gelernt. Der Bericht gibt mir Hinweise gefestigter durchs Leben zu laufen.
Danke für das Feedback. Ich wünsche dir alles Gute für deinen Weg.